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Ralf  Schult

Cicero, Caesar und der Untergang

der libera res publica

Eine Textauswahl aus den Briefen Ciceros als Lektürevorschlag für ein Cicero-Semester in der gymnasialen Oberstufe

 

Gliederung

1. Ciceros Briefe im Unterricht

2. Das Thema "Cicero, Caesar und der Untergang der libera res publica"

3. Die Textauswahl

4. Übersicht über die wichtigsten Schulausgaben

5. Weitere Literatur

 

1. Ciceros Briefe im Unterricht

Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen eines fachdidaktischen Hauptseminars an der Freien Universität Berlin entstanden, das sich mit den Möglichkeiten der Cicero-Lektüre auf der gymnasialen Oberstufe beschäftigte. Der Berliner Rahmenplan sieht für die drei Lehrgangsformen (Latein ab 5., 7. und 9. Klasse) im 3. Kurshalbjahr (13/1) ein verbindliches Cicero-Semester vor. Die Grundfrage des Seminars lautete, wie man dieses Kurshalbjahr so gestalten kann, dass es der Person und dem Gesamtwerk Ciceros und seiner Wirkung ebenso gerecht wird wie dem geistigen Horizont und den Interessen heutiger Schülerinnen und Schüler. Als eine der zahlreichen Wahlmöglichkeiten aus dem Gesamtwerk sieht der Berliner Rahmenplan bei den Lehrgängen Latein I-III die Lektüre der Briefe vor, wobei für Latein I die Einschränkung gemacht wird, dass hier eine Auswahl aus einer großen philosophischen Schrift im Mittelpunkt stehen soll1. Die Möglichkeit, die Briefe Ciceros in das Zentrum eines Kurshalbjahres zu stellen, ist nicht in allen Bundesländern gegeben. Bei vielen Kursthemen werden sie stattdessen neben den entsprechenden Haupttexten als Zusatztexte berücksichtigt. So schlägt beispielsweise der Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen, der allerdings schon für die Sekundarstufe I bei Latein I und II fakultativ unter dem Stichwort "Cicero – Privatmann und Politiker" die Lektüre einer Briefauswahl aufführt, im Rahmen des innerhalb der Kurssequenz 11/2 bis 13/2 wählbaren Oberthemas "Der Einzelne in seinem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft" ein Kursthema "Otium oder accedere ad rem publicam" vor2; dieses soll neben dem Haupttext De re publica die Gelegenheit zur Einbeziehung von Briefen bieten, in denen Cicero die eigene politische Tätigkeit reflektiert und Stellung bezieht zur Politik seiner Zeitgenossen. Des Weiteren wird die Möglichkeit erwähnt, dieses Thema in einem Leistungskurs etwa unter dem Stichwort "Cicero und Caesar zwischen Republik und Diktatur" zu erweitern. Auch im bayerischen Fachlehrplan für Latein werden für die Jahrgangsstufe 12 einzelne Briefe Ciceros als Lektüretexte zu speziellen Themen (Sklaverei, Zirkus und Theater) genannt, während auf der Jahrgangsstufe 11 bei den Lehrgängen Latein I und II genau wie auch


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auf den Berliner Gymnasien (dort aber nur bei Latein I im Profilbereich) beim Thema "Briefliteratur" eine Auswahl aus der Korrespondenz Ciceros im Mittelpunkt der Lektüre stehen kann3. Für all diese Kursthemen wie auch ähnliche in anderen Bundesländern sollen im folgenden Lektürevorschläge und Anregungen für die Gestaltung eines Kurshalbjahres oder Unterrichtsprojektes gegeben werden.

H. Liebing hat in seinem grundlegenden Aufsatz "Ciceros Briefe im Unterricht" die Aufnahme der Briefe in den Lektürekanon der Schule gerechtfertigt und die Vorzüge einer solchen Lektüre hervorgehoben4. Zwei davon seien hier am Anfang noch einmal genannt:

1. Während in früheren Zeiten der Stil der Briefe als nachteilig beurteilt wurde, da er nicht an die Vollkommenheit ciceronischen Periodenbaus heranreicht, dem als Ideal nachzueifern Jahrhunderte sich bemühten, kann dieses Argument für den heutigen Lateinunterricht, nachdem sich die Zielsetzungen im Wandel der Zeit verändert haben, keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Man kann es vielmehr als einen Vorteil der Briefe begreifen, dass die Schüler an ihnen erfahren können, dass die Römer im täglichen Verkehr ebenso wenig wie ein moderner Mensch in Perioden gesprochen haben, wodurch die lateinische Sprache für sie ein Stück von ihrer abstrakten Ferne verliert und ihnen nähergebracht wird.

2. Während man bei einer Bevorzugung literarischer Briefe eher auf Seneca oder Plinius zurückgreifen wird, bieten die Briefe Ciceros aufgrund ihres persönlichen und intimen Charakters den Schülern einen einmaligen Einblick in das Privatleben eines großen Römers mit allen seinen Höhen und Tiefen - und dies in einer sehr bewegten Zeit. Hier stehen vielfach Themen im Mittelpunkt, die auch dem Gedankenkreis heutiger Schüler nicht fern sind, die sie unmittelbar ansprechen und somit zur Diskussion und Stellungnahme anregen.

Die Lektüre der Briefe Ciceros eröffnet eine Vielzahl von thematischen Möglichkeiten, die sich alle unter die beiden Hauptkategorien "Der Privatmensch Cicero" und "Der Politiker Cicero und seine Zeit" einordnen lassen. Wenngleich eine völlige Trennung sowie eine totale Beschränkung auf einen der beiden Bereiche in der Unterrichtsarbeit weder möglich noch erstrebenswert erscheint, soll in der vorliegenden Arbeit der zweite Schwerpunkt im Zentrum stehen und ein aus diesem Themenbereich gewählter Vorschlag für die Gestaltung des Cicero-Semesters vorgestellt werden. Soll "der Politiker Cicero" im Mittelpunkt der Brieflektüre stehen, so muss bedacht werden, dass nicht aus allen Phasen seiner politischen Laufbahn Briefe überliefert sind; dies gilt etwa für die Zeit seiner ersten politischen Ämter, der Quästur (75 v.Chr.) und der Ädilität (69 v.Chr.). Die vier uns überlieferten Briefsammlungen5 umspannen die folgenden Zeiträume:

Epistulae ad Atticum (16 Bücher)

68 - 44 v.Chr.

Epistulae ad familiares (16 Bücher)

62 - 43 v.Chr.

Epistulae ad Quintum fratrem (3 Bücher)

60 - 54 v.Chr.

Epistulae ad Marcum Brutum (2 Bücher)

43 v.Chr.

 


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2. Das Thema "Cicero, Caesar und der Untergang der libera res publica"

Das Briefcorpus Ciceros enthält unzählige Stücke, die uns neben dem Menschen und Politiker Cicero zugleich auch die berühmtesten Männer seiner Zeit und sein Verhältnis zu ihnen präsentieren und näher bringen. Unter diesen nimmt sicherlich Caesar eine ganz besondere Stellung ein. In den Briefen liegt ein beeindruckendes Zeugnis der bedeutsamen Begegnung dieser beiden historischen Persönlichkeiten vor. Die Beschäftigung mit jener Begegnung erscheint aufgrund der Vielfalt der hierbei angeschnittenen Themenaspekte für die Unterrichtsarbeit besonders lohnend:

1. Die Betrachtung der beiden Männer, die beide das höchste Amt im römischen Reich bekleideten, führt zugleich in die Welt des römischen Staates und der römischen Gesellschaft ein. In ihrer Begegnung spiegelt sich der allmähliche Untergang der Republik wider: der aus uraltem patrizischem Adel stammende Caesar ließ sich tragen von den populares und war aufgrund seines unbeirrbaren Strebens nach der Herrschaft entscheidend verantwortlich für die Auflösung der althergebrachten Institutionen, während Cicero, der nicht auf patrizische Vorfahren zurückblicken konnte, sich die Pflichten der optimi zu eigen machte, die lange die Geschicke des römischen Volkes gelenkt hatten, und um die Bewahrung der alten Ordnung kämpfte.

2. Gerade diese Briefe vermitteln dem Leser ein sehr detailliertes Bild des Menschen Cicero mit allen Höhen und Tiefen seines Lebens, immer wieder wird man mit Grundfragen der menschlichen Existenz konfrontiert. Des Weiteren legen sie ein einzigartiges Zeugnis des Selbstrechtfertigungsdruckes ab, den Cicero während der gesamten Phase der Auseinandersetzung mit seinen politischen Gegnern - allen voran Caesar - stets empfunden haben muss, da er sich immer wieder dazu veranlasst sah, sich und sein politisches Programm, das dem heutigen Leser auf diese Weise aus erster Hand vor Augen geführt wird, zu verteidigen. Hierbei erkennt man, dass sich der Politiker und der Mensch Cicero nicht voneinander trennen lassen und welchen überragenden Stellenwert ganz allgemein in Rom die Teilnahme am öffentlichen Leben und an den Angelegenheiten des Staates für die Mitglieder der Oberschicht hatte.

3. Außerdem gewährt Ciceros Korrespondenz über und mit Caesar einen sehr guten Einblick in die große Funktionsvielfalt des antiken Briefes: von der Form der kurzen Mitteilung über das Empfehlungsschreiben, den Bericht, die programmatische Schrift von hohem literarischem Niveau, das Bittschreiben bis zum erzählenden Brief anekdotenhaften Charakters - alles ist hier vertreten.

Somit findet man eine Vielzahl der im Berliner Rahmenplan zur Auswahl aufgeführten Lerninhalte in diesem Thema - ausführlich oder zumindest in Ansätzen - wieder:

Ciceros Leben in autobiographischen Zeugnissen, Das Phänomen Cicero, Cicero und Caesar, Cicero - der Politiker; Philosophische Grundprobleme (Macht und Recht u.a.); Politische und gesellschaftliche Grundbegriffe, Libertas, Autorität und auctoritas; Res publica - Römischer Staat und Staatsgedanke, Wesen und Formen der Diktatur, Römische Provinzverwaltung; Das Individuum auf der Suche nach Verhaltensweisen in der Gesellschaft, Der Konflikt zwischen Individuum und Staat, Philosophie als Lebenshilfe.


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Ein weiterer Vorteil der unterrichtlichen Behandlung der Briefe Ciceros mit dem Schwerpunkt "Cicero und Caesar" besteht darin, dass man mit diesem Thema an bereits erworbene Kenntnisse anknüpfen kann, da die Lehrpläne sehr vieler Bundesländer für alle drei Fremdsprachenlehrgänge Latein I-III in der Regel als erste Originallektüre Caesars Bellum Gallicum vorsehen. Somit sind die Schüler zum Zeitpunkt eines Cicero-Semesters bereits mit der Person Caesars und dem historischen Hintergrund vertraut, so dass sie ihr Wissen im Rahmen des neuen Unterrichtsprojekts einbringen und zugleich durch das Kennenlernen einer neuen Sichtweise dieser Epoche und der Persönlichkeit Caesars - nämlich der Sichtweise Ciceros - modifizieren können.

Aus all diesen Vorüberlegungen resultierte der Entschluss, als Lektürevorschlag für die Gestaltung des Cicero-Semesters eine Textauswahl aus Ciceros Briefen zu erstellen, die einen chronologischen Einblick in die politische Karriere Ciceros und seine Begegnung mit der großen historischen Persönlichkeit Caesars bieten und zugleich die dahinterstehende Entwicklungslinie des allmählichen Niedergangs der römischen Republik (der libera res publica) deutlich machen sollte.

 

3. Die Textauswahl

Bei der Erstellung einer Textsammlung zu diesem Thema steht man vor dem Problem, aus dem großen Briefcorpus Ciceros mit 864 Briefen eine kleine Auswahl treffen zu müssen, die einerseits dem im letzten Abschnitt formulierten Ziel, nämlich dem Aufzeigen einer historischen Entwicklungslinie genügt und deren Umfang sich andererseits an der zur Verfügung stehenden Zeit in einem Schulhalbjahr orientiert.

Als Grundlage für das Treffen einer Auswahl diente die Briefsammlung von Wilhelm Ax6. Zunächst wurde ermittelt, welche der hier aufgeführten und für das gewählte Thema relevanten Briefe in die im vierten Abschnitt vorgestellten gängigen Schulausgaben zu Ciceros Briefen aufgenommen worden waren, wobei die sich ergebenden Auftrittshäufigkeiten ein gewisses Indiz für die Bedeutsamkeit des jeweiligen Briefes und somit ein erstes Kriterium für die Auswahl darstellten. Ein weiteres Kriterium stellte die Erwähnung und Behandlung bestimmter Briefdokumente in der Fachliteratur zu Ciceros politischem Leben und seiner Begegnung mit Caesar dar7. In der anschließenden inhaltlichen und an der Verwendbarkeit im Unterricht orientierten sprachlichen Auswertung der in die engere Wahl aufgenommenen Briefe wurde ein Kanon von 19 Briefen ausgewählt, der für die dramatische Zeit der Jahre 60 bis 44 v.Chr. - also von dem Jahr des sogenannten 1. Triumvirats und somit der endgültigen Etablierung Caesars in der Reihe der mächtigsten Männer Roms bis zum Jahr seiner Ermordung - Ciceros politisches Leben und seinen Kampf gegen den Untergang der Republik an repräsentativen Einzeldokumenten nachzeichnet. In diese Sammlung wurden ferner zwei Zusatztexte aus den Reden Ciceros als Ergänzung integriert, auf deren Funktion im einzelnen bei dem nun folgenden Kurzüberblick über die einzelnen Texte genauer eingegangen werden soll.


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Tabellarische Übersicht über die ausgewählten Briefe und Zusatztexte

die Originaltexte finden Sie hier: Zu den Texten

 

Brief

Jahr

Inhalt

enthalten in der Schulausgabe *)

I

II

III

IV

V

VI

Aus der Zeit nach dem Konsulat bis zum Exil

1

Att. 1, 18, 1-2

60

Über Ciceros Sehnsucht nach Atticus. Klage über die allgemeine Misere des Staates. Der Prozess gegen Clodius.

X

X

X

2

Att. 2, 18

59

Unter Caesars Konsulat: Ciceros Ohnmacht gegenüber den Mächtigen. Seine wachsende Unruhe wegen der Verfolgung durch Clodius.

X

X

X

In der Verbannung

3

Att. 3, 10

58

Über Ciceros Verzweiflung. Die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr hat sich nicht erfüllt.

X

X

Von der Rückkehr aus dem Exil bis zum Prokonsulat

4

Att. 4, 1, 4-5

57

Cicero wieder in Rom: Bericht über die triumphale Rückkehr.

X

X

X

5

fam. 7, 5

54

An Caesar: Empfehlungsschreiben für den jungen Trebatius. Zum guten Verhältnis von Cicero und Caesar.

X

X

X

X

6

fam. 1, 9, 4-6 und 11-18

54

An Lentulus Spinther: Rechtfertigung der politischen Haltung nach der Rückkehr aus dem Exil. Zurückweisung des Vorwurfs der allzu opportunistischen Anpassung an die Triumvirn.

X

X

Während der Statthalterschaft in Kilikien

7

fam. 2, 12

50

An Caelius Rufus: Heimweh nach Rom.

X

X

X

Vom Ausbruch des Bürgerkriegs bis zur Schlacht bei Pharsalus

8

Att. 7, 1, 2-5

50

Auf der Rückreise aus der Provinz: Cicero vor der Entscheidung zwischen Pompeius und Caesar.

X

9

Att. 9,6A

49

Von Caesar auf dem Weg nach Brundisium an Cicero: Bitte um Unterstützung und eine Unterredung in Rom.

X

X

X

X

X

10

Att. 9, 11A

49

An Caesar: Ciceros Antwort. Seine Bemühung um einen friedlichen Ausgleich.

X

X

X

X

X

11

Att. 9, 18

49

Ciceros Bericht an Atticus über sein Treffen mit Caesar: Freude über die eigene Standhaftigkeit.

X

X

X

12

Att. 10, 8B

49

Von Caesar an Cicero nach dessen Entscheidung für Pompeius: Mahnung zur Neutralität.

X

X

X

Während Caesars Alleinherrschaft

13

Att. 11,5

48

Nach der Schlacht bei Pharsalus: Cicero wartet in Brundisium auf Caesars Entscheidung.

X

X

X

14

fam. 14, 23

47

An Terentia: Nach einem Jahr Warten Hoffnung auf Begnadigung. Caesar auf dem Weg nach Brundisium.

X

X

15

fam. 4, 4, 3-5

46

An Sulpicius Rufus: Über ein Beispiel für Caesars Milde - die Begnadigung des M. Marcellus.

X

Zusatztext 1: Cicero, Pro

Marcello 21-29

46

Unmittelbar nach der Begnadigung des Marcellus bricht Cicero mit dieser Dankrede sein langjähriges Schweigen und preist nicht so sehr Caesars Milde als vielmehr die Weisheit, mit der er sich der Republik unterordne; für sie, nicht für sich solle er von nun an leben.

16

Att. 13, 52

45

Bericht an Atticus über einen Besuch Caesars. Ciceros Enttäuschung von dessen Person.

X

X

X

X

17

fam. 7, 30

44

An Curius: Bittere Satire über die Willkür des Alleinherrschers Caesar.

X

Nach Caesars Ermordung

18

fam. 6, 15

44

An Basilus: Die Iden des März. Ciceros Freude und Gratulation an den Caesar-Mörder.

X

X

19

Att. 14, 1

44

Bericht über Ciceros Besuch bei Caesars Freund Matius: Über die Zuspitzung der politischen Lage. Caesars Einschätzung von Cicero kurz vor seinem Tod.

X

Zusatztext 2:

Cicero, Philippica

II 116-117

44

Die zweite philippische Rede präsentiert sich dem Leser als Ciceros unmittelbare Antwort im Senat auf die von Antonius in Ciceros Abwesenheit vorgetragenen Schmähungen, obwohl es sich in Wahrheit um eine erst nachträglich von Cicero verfasste Flugschrift handelt. Am Ende der Rede kommt er auch auf Caesar zu sprechen und zieht eine kurze Lebensbilanz dieses großen Staatsmanns, dessen Format Antonius in keiner Weise erreicht habe.

*) Siehe die Übersicht über die Schulausgaben (Abschnitt 4)


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Am Anfang der Textsammlung stehen zwei Briefe an Atticus aus der Zeit nach Ciceros Konsulat und vor seinem Exil. Text 1, in dem das innige Verhältnis zu Atticus auf eindrucksvolle Weise beschrieben wird, zeigt einen unter den Verhältnissen leidenden Cicero, der feststellen muss, dass die in seinem Konsulat während der Niederschlagung der Verschwörung des Catilina scheinbar erfolgreich beschworene concordia ordinum nicht von Dauer war und sich seitdem die Verhältnisse im Staat zum Schlechteren gewendet haben. In dem folgenden Bericht über den Prozess gegen Clodius erkennt man bereits den Beginn dieser verbitterten Feindschaft, die schließlich zum Exil Ciceros führen sollte und an deren Entstehung Cicero, der sich in dem Prozess energisch für eine Besserung der verdorbenen Sitten eingesetzt hatte und mit der Verurteilung des Clodius wohl ein Exempel statuieren wollte, nicht unschuldig war, wie der Brief zeigt. Von der zunehmenden Bedrohung durch Clodius und Ciceros Furcht um das eigene Leben legt Text 2 ein dramatisches Zeugnis ab. Zugleich bringt er die tiefe Resignation über die Lähmung des öffentlichen Lebens und den Verlust der libertas durch die Allmacht der Triumvirn zum Ausdruck, die alle anderen zu Dienern degradiert hat. Hier wird auch Caesar zum ersten Mal genannt, wenn auch nicht direkt herausgehoben oder für die unerträgliche Situation verantwortlich gemacht. Nichtsdestoweniger erlebt man einen kämpferischen Cicero: ‚non lubet fugere, aveo pugnare’. Doch ein Jahr später musste er auf Betreiben des Clodius und mit Duldung des Triumvirn Caesar in die Verbannung gehen. Dementsprechend stellt sein nächster Brief (Text 3) aus dem Exil an Atticus den vorläufigen absoluten Tiefpunkt dar. Er zeigt einen völlig am Boden zerstörten und sich ganz seinem Selbstmitleid hingebenden Cicero, nachdem sich die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr nach Rom nicht erfüllt hatte. Bei der Lektüre dieses Briefes glaubt man zu verstehen, warum Cicero in der Vergangenheit vielfach mangelnde dignitas in schwierigen persönlichen Situationen vorgeworfen wurde.

Durch die Bemühungen seiner Freunde konnte Cicero bereits nach einem Jahr wieder nach Rom zurückkehren. In einem Brief an Atticus (Text 4) berichtet er gut gelaunt und mit neuem Selbstbewusstsein in einem dem seiner Meinung nach bedeutenden Ereignis angemessenen hohen Stil von seinem triumphalen Empfang in Italien und Rom. Doch die in diesem Brief spürbare Euphorie sollte schnell wieder weichen, und Cicero musste erkennen, dass er sich in der Annahme, mit seiner Rückberufung sei die vielfach von ihm beschworene concordia ordinum wiederhergestellt, getäuscht hatte. Nach wie vor war er der Missgunst anderer ausgesetzt, fühlte sich von den Senatoren im Stich gelassen und blieb politisch weitestgehend isoliert, was in der Folgezeit zu einer Annäherung an die Triumvirn führte. Besonders Pompeius fühlte er sich wegen dessen Einsatz für seine Rückberufung tief verbunden, und über Pompeius kam auch ein engerer Kontakt mit Caesar zustande, der damals von Gallien aus die Verhältnisse in Rom kontrollierte. Ein Beispiel für die in dieser Zeit entstandene gegenseitige menschliche Wertschätzung gibt Ciceros Empfehlungsschreiben an Caesar aus dem Jahre 54 (Text 5). Da Ciceros Verhalten bei den optimates zunehmend Anstoß erregte, sah er sich noch im gleichen Jahr dazu veranlasst, in einem sorgfältig stilisierten und wahrscheinlich zur Veröffentlichung bestimmten Brief seine politische Haltung nach der Rückkehr aus dem Exil zu rechtfertigen und den Vorwurf einer allzu opportunistischen Anpassung an die Triumvirn zu entkräften (Text 6).

Bis zum Jahre 51 hielt er sich weitestgehend von der Tagespolitik fern, bis er schließlich die Statthalterschaft der Provinz Kilikien übernahm, die er mit besonderer Gewissenhaftigkeit und einer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Uneigennützigkeit ausübte und aus der er scheinbar neues Selbstvertrauen schöpfte. Ein Brief aus Kilikien an seinen Freund Caelius (Text 7) zeigt einen aufgeschlossenen und heiteren Cicero, der trotz seiner Amtsgeschäfte in der Provinz stets genauestens über die politischen Vorgänge in Rom informiert werden wollte, wo seinerzeit chaotische Zustände herrschten. Wie groß auch immer seine Erfolge auswärts sein mochten (nach der Ausrufung zum Imperator durfte Cicero sogar auf einen Triumphzug in Rom hoffen), sein im Brief zum Ausdruck kommendes Heimweh nach Rom führte dazu, dass er eine Verlängerung des Kommandos ablehnte, um in die Hauptstadt zurückkehren zu können.


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Bei seiner Rückkehr war die Entfremdung zwischen Caesar und Pompeius bereits so weit fortgeschritten, dass eine gewaltsame Auseinandersetzung unvermeidlich schien. Cicero, der mit beiden in enger Verbindung stand, sah sich vor die Entscheidung gestellt. Ein Brief, den er während seiner Rückreise an Atticus schrieb (Text 8), bringt diese ihn quälende Sorge deutlich zum Ausdruck. Das Schreiben, das erneut zeigt, von welcher Wichtigkeit der Rat und die Unterstützung von Atticus für Cicero waren, ist ein einzigartiges Dokument für Ciceros taktische Überlegungen, was den Umgang mit den damals mächtigsten Männern Roms, Caesar und Pompeius, anbelangt, sowie für seine politische Weitsicht: er ahnt, dass ein großer Krieg bevorsteht, der die ohnehin schon erschütterte res publica gänzlich zerstören wird.

In den folgenden vier Briefen stehen die unaufhörlichen Werbungsversuche Caesars um Cicero im Mittelpunkt. Sie gewähren dem Leser zugleich einen detaillierten Einblick in das persönliche Verhältnis der beiden Staatsmänner. Caesar wusste, dass es ihm nur dann gelingen würde, seinem Vorgehen gegen Pompeius Legitimität und Anerkennung zu verleihen, wenn er sich die Unterstützung bedeutender Senatoren und hier vor allem die des immer noch einflussreichen Cicero sicherte. Aus diesem Grunde nahm er sich trotz aller Eile die Zeit, noch auf dem Marsch gegen Pompeius nach Brundisium in höflicher und verbindlicher Form einen kurzen Brief an Cicero zu verfassen (Text 9), in dem er ihn nach Rom einlud: 'ut te ibi videam, ut tuo consilio, gratia, dignitate, ope omnium rerum uti possim'. Zwar vermied Cicero in seinem Antwortbrief (Text 10) eine direkte Ablehnung der Einladung, aber der höfliche und diplomatische Ton täuscht nicht darüber hinweg, wie sehr er sich immer noch dem Pompeius wegen dessen Verdienste um seine Person verpflichtet fühlte. Betrachtet man die distanzierte Höflichkeit dieses Schreibens im Vergleich zu den Briefen an Atticus, so erkennt man sehr deutlich den unterschiedlichen Charakter der Freundschaften: wenngleich Cicero und Caesar eine gegenseitige menschliche Wertschätzung verband, so war ihre amicitia letztendlich doch politischer Natur. Der Brief spiegelt auch die innere Unentschlossenheit Ciceros wider, der immer noch irrtümlicherweise glaubte, er könne zwischen Caesar und Pompeius einen friedlichen Ausgleich finden. Auf der Rückreise von Brundisium nach Rom kam Caesar bei Ciceros Landgut in Formiae vorbei, um noch einmal den Versuch zu unternehmen, ihn auf seine Seite zu ziehen. In einem emotionalen Brief (Text 11) an Atticus berichtet ein - wie man an den ungegliederten und abgehackten Sätzen sieht - aufgeregter, aber sichtlich mit sich zufriedener Cicero von den Einzelheiten des Gesprächs, in dem er erneut auf seinem Standpunkt beharrte und Caesar eine Absage erteilte. Die Entscheidung zugunsten des Pompeius war nun gefallen. Caesars Herrschergebaren und sein aus zweifelhaften Existenzen bestehendes Gefolge mussten bei Cicero, dessen wichtigstes Ziel die Bewahrung der res publica war und der deshalb seinen eigenen Platz auf der Seite der staatstragenden Kräfte sah, die Überzeugung entstehen lassen, dass ein Sieg Caesars auch den endgültigen Untergang der res publica bedeutete. An seiner Entscheidung konnte auch ein letzter verzweifelter Versuch Caesars (Text 12), Cicero wenigstens zur Neutralität zu bewegen, nichts mehr ändern. Obgleich Caesar die Absage Ciceros scheinbar nicht übel nahm und er aus Achtung vor ihm auf die Anwendung von Machtmitteln gegen ihn verzichtete, hat dieser letzte Brief trotz seiner höflichen Formulierungen und der Betonung der freundschaftlichen Beziehung durchaus den Charakter eines warnenden Ultimatums. Nichtsdestoweniger folgte Cicero dem Pompeius nach Griechenland, wo dieser im August 48 von Caesar bei Pharsalus besiegt wurde. Cicero kehrte resignierend nach Italien zurück und erwartete in Brundisium Caesars Rückkehr. Der Brief an Atticus (Text 13) zeigt einen völlig zerstörten Cicero voller Reue und ohne jeden Rat. Fast ein Jahr lang musste er in Brundisium warten, bis ihn der Erhalt eines Briefes Caesars, der ihn auf die Rückkehr des Siegers und auf eine Begnadigung hoffen ließ, zu einer kurzen Mitteilung an seine Frau Terentia veranlasste (Text 14). Nach einem Treffen mit Caesar erlaubte ihm dieser, nach Rom zurückzukehren, wo sich Cicero ins Privatleben zurückzog und als Ersatz für eine ehrenhafte politische Betätigung, für die Caesars Alleinherrschaft keinen Raum ließ, und als eine andere Form des Dienstes für die res publica der Abfassung seiner rhetorischen und philosophischen Schriften widmete.


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Des Weiteren übernahm er in dieser Zeit oft die Aufgabe, für ehemalige Pompeianer, die in der Verbannung lebten, Fürsprache einzulegen. Die von Caesar im September 46 bewilligte Begnadigung des M. Marcellus hatte für Cicero die Funktion eines Schlüsselerlebnisses: hierin glaubte er eine Wendung Caesars in Richtung auf die alte res publica und eine echte Chance für das Erstarken der republikanischen Idee zu sehen. Die folgenden vier Textbeispiele veranschaulichen sein Ringen um die Möglichkeit der Wiederherstellung der alten Ordnung und seine Beziehung zum Diktator Caesar in den letzten 18 Monaten vor dessen Ermordung, die für Cicero am Anfang von Hoffnung und Zuversicht und schließlich, nachdem er erkennen musste, dass seine Hoffnung eine Illusion war, von Ernüchterung und Resignation geprägt waren: Text 15 enthält die aus einem Brief an Sulpicius Rufus ausgewählte Schilderung der Begnadigung des Marcellus durch Caesar während einer Senatssitzung, in deren weiterem Verlauf Cicero - wie er berichtet - unter dem Eindruck der clementia Caesars in einem Rausch freudiger Dankbarkeit seine Rede Pro Marcello gehalten hat. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Kenntnis von Ciceros politischer Auffassung und ihrer interpretatorischen Ergiebigkeit wurden die meines Erachtens zentralen Kapitel, die H. Dahlmann in seinem Aufsatz ausführlich vorgestellt hat, als Zusatztext 1 in die Textauswahl aufgenommen. Der Textabschnitt enthält einen leidenschaftlichen Appell Ciceros an Caesar, in dem er den einzig möglichen restitutor rei publicae sieht, durch die Erneuerung der mores civitatis die alte Staatsordnung wiederherzustellen. Auf Caesar einzuwirken im Interesse des Heils der res publica, ihn zu einem Freund des Gemeinwesens zu machen, war seine Hoffnung. Doch Caesar dachte scheinbar nicht daran, sich und seine eigenen Belange entsprechend Ciceros Vorstellung von der Aufgabe eines Staatmannes den absoluten Erfordernissen für die Aufrechterhaltung der salus rei publicae unterzuordnen. Dies erkennt man an einem über ein Jahr später an Atticus geschriebenen Brief (Text 16), einem weit intimeren Zeugnis über Ciceros Verhältnis zu Caesar in seiner Sorge um die Existenz der res publica, in dem er von einem unerwarteten Besuch Caesars samt seines Gefolges auf seinem Landgut bei Puteoli berichtet. Die Situation hatte sich verändert: dieser Caesar, der selbstherrlich seine Gunst schenkende Herr, war nicht der erhoffte restitutor rei publicae. Bei allem persönlichen Zauber, der immer noch von Caesar ausging, musste die Demonstration der Macht auf Cicero, der ihm nur noch als ein geistreicher Gesprächspartner in gänzlich unpolitischen Fragen diente, demütigend wirken. Spätestens jetzt musste er erkennen, dass er Caesar falsch eingeschätzt hatte. Die Geschehnisse, von denen er in einem nur einige Wochen vor dessen Ermordung geschriebenen Brief an seinen Freund Curius (Text 17) berichtet, waren für ihn so etwas wie die letzte Bestätigung dafür, dass es Caesar nur auf seine eigene Macht ankam - der erhoffte restitutor hatte sich als Vernichter der res publica erwiesen, der sich über die geheiligten Institutionen hinwegsetzte und mit ihnen seinen Spott trieb. Ciceros Worte drücken seine totale Resignation und Hoffnungslosigkeit aus: ‚incredibilest, quam turpiter mihi facere videar, qui his rebus intersim. ne tu videris ante providisse, quid impenderet, tum cum hinc profugisti’. Der Brief ist noch aus zwei weiteren Gründen bemerkenswert: zum einen stellt er auch den Endpunkt der Beziehung zu Caesar dar - kein Wort mehr von dessen menschlicher Größe, nicht einmal beim Namen wird er genannt, sondern ille. Zum anderen ist er ein Zeugnis für die vielfältigen Möglichkeiten Ciceros, über seine Verzweiflung hinwegzufinden: die Beschäftigung mit der Philosophie, die Freundschaft mit Atticus und seine urbanitas, denn auch dem seiner Meinung nach verruchtesten Geschehen wusste Cicero, wie die Nacherzählung der Caniniuswahl zeigt, die lächerliche Seite abzugewinnen.

An der Verschwörung zur Ermordung Caesars zwei Monate darauf hatte sich Cicero nicht aktiv beteiligt, doch zählte er gewiss zu den geistigen Wegbereitern des Tyrannenmordes. Die Freiheitsliebe und die Überzeugung, dass Caesars Tod ohne Zweifel im Interesse der res publica lag, adelte die Untat in seinen Augen. Einem der Caesarmörder, L. Minucius Basilus, übersandte er am Tage der Ermordung einen kurzen Glückwunsch (Text 18), der so abgefasst war, dass er Schreiber und Adressat nicht gefährdete, falls er in falsche Hände kam, und in dem er seiner Freude über die Beseitigung des Tyrannen Ausdruck gab. Dass Caesar keineswegs blauäugig gewesen war, sondern sehr gut um seine Bedrohung und den Hass wusste, den sein Herrschergebaren ihm bei vielen Römern und auch Cicero eingebracht hatte, zeigt eine kleine Anekdote, die Cicero nach dessen Tod von C. Matius erfahren und nun seinem Freund Atticus übersandt hatte (Text 19). Aus dem gleichen Brief erfahren wir auch, dass Cicero und die Verschwörer bereits kurze Zeit nach ihrer Tat erkennen mussten, dass mit der Ermordung Caesars allein noch nichts gewonnen war. Was folgte, war die erneute Zuspitzung der politischen - und militärischen - Auseinandersetzungen. Nochmals nahm Cicero in der Rolle des princeps civitatis den Kampf um die Wiederherstellung der libera res publica auf, wobei sein Widersacher dieses Mal Antonius hieß. Der Ausgang des Machtkampfes ist bekannt. Das letzte Textbeispiel aus der zweiten Philippischen Rede Ciceros (Zusatztext 2),


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die den Charakter einer Invektive gegen Antonius besaß, soll einen kleinen Einblick darin geben, mit welcher Verbissenheit diese neuerliche Auseinandersetzung geführt wurde. Caesar gegenüber hatte Cicero stets eine große menschliche Wertschätzung empfunden, wie man erneut aus der kurzen Lebensbilanz des früheren Diktators ersehen kann, die Cicero hier entwirft, um anschließend einen Vergleich mit Antonius zu ziehen. Wenn er auch seine Herrschsucht und den von ihm verursachten Schaden für das Gemeinwesen scharf kritisiert, findet er dennoch anerkennende Worte für seine herausragenden Fähigkeiten. Von diesem Format, so Cicero anschließend, sei Antonius weit entfernt, und nur hinsichtlich seiner Machtgier könne man ihn mit Caesar auf eine Stufe stellen. Er schließt seinen Vergleich mit der folgenden Frage an Antonius: ‚An, cum illum homines non tulerint, te ferent ?’

Nach dieser kurzen Vorstellung der insgesamt 21 Briefe und Zusatztexte sei noch eine kurze Bemerkung dazu angefügt, wie diese Auswahl zu verstehen ist. Natürlich dürfte aufgrund der begrenzten zeitlichen Möglichkeiten in einem Schulsemester in den wenigsten Fällen eine vollständige Lektüre aller Texte gelingen. Dies ist mit der vorgelegten Textsammlung aber auch nicht unbedingt beabsichtigt. Die Textmenge ist bewusst so bemessen, dass sie einen Spielraum zur freien Ausgestaltung der Lektüre lässt und innerhalb des Themas "Cicero und Caesar" weitere Schwerpunktbildungen ermöglicht. Zwei solcher möglichen Schwerpunkte sind beispielsweise die Themen "Cicero im Bürgerkrieg" (Texte 8-14) und "Cicero unter der Alleinherrschaft Caesars" (Texte 15-17 und Zusatztext 1). Für die Ausgestaltung einer Unterrichtsreihe zum letztgenannten Thema bietet der bereits erwähnte Aufsatz von H. Dahlmann eine sehr gute Grundlage.

Als Ergänzung zur Originallektüre in lateinischer Sprache stellt des weiteren die Lektüre zusätzlicher Briefe in deutscher Übersetzung eine Möglichkeit dar, während des Semesters eine größere Textmenge behandeln und somit einen Einblick in möglichst viele Facetten des Themas gewinnen zu können.

4. Übersicht über die wichtigsten Schulausgaben

Die den Ausgaben vorangestellten römischen Ziffern beziehen sich auf die tabellarische Übersicht über die ausgewählten Briefe im dritten Abschnitt dieser Arbeit.

I Cicero, Briefe (J. Duschl, C.C.Buchners, 19753)

Bestandteile: Textheft und Vorbereitungsheft.

Textauswahl: Die insgesamt 28 Briefe des kleinen Heftes sind unter die Rubriken "Cicero als Politiker", "Cicero als Privatmann" und "Literarisches Schaffen" gegliedert.

Besonderheiten: Der Schwerpunkt bei den politischen Briefen liegt auf dem Verhältnis Ciceros zu Caesar in der Zeit der Bürgerkriege; hierfür wird eine sehr gute und überschaubare Auswahl geboten.

II Cicero und seine Welt. Auswahl aus den Briefen (E. Römisch, Hirschgraben, 19773)

Bestandteile: Textband und Erläuterungsband.

Textauswahl: Die 65 ausgewählten Briefe sind nicht nach Rubriken, sondern rein chronologisch geordnet und umfassen alle Facetten des Menschen Cicero.


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Die in der empfehlenswerten Einleitung gebotene detaillierte Liste mit Themenvorschlägen und Angaben der jeweils geeigneten Briefe ermöglicht eine gezielte Lektüre. Gerade zum Thema "Cicero und Caesar" wird eine umfangreiche Auswahl geboten.

Besonderheiten: Der dicke Erläuterungsband bietet zu jedem Brief nicht nur eine historische Einführung sowie umfangreiche sprachliche und sachliche Erläuterungen, sondern auch jeweils am Ende eine Zusammenfassung, in der auf Stileigentümlichkeiten eingegangen wird und Interpretationshinweise gegeben werden.

III Cicero, Briefe (H. Philips, Schöningh, 1979)

Bestandteile: Textband und Erläuterungsband.

Textauswahl: Die insgesamt 63 Briefe sind in 12 Abschnitte gegliedert. In den Abschnitten I bis VIII sind die Briefe chronologisch angeordnet und bieten einen repräsentativen Querschnitt durch Ciceros Leben von 68 bis 43 v.Chr. unter politischen Gesichtspunkten, während den Kapiteln IX bis XII eine thematische Gliederung zugrunde liegt ("Ciceros Verhältnis zu berühmten Männern seiner Zeit", "Cicero und seine Freunde", "Cicero und seine Familie", "Ciceros literarische Tätigkeit").

Besonderheiten: Die Kapitelgliederung der ausgewählten Briefe sorgt für eine von keiner anderen Schulausgabe erreichte leichte Benutzbarkeit. Zu der umfangreichen Textauswahl wird ein gleichermaßen umfangreicher Kommentar geboten, in dem neben einer jedem Brief vorangestellten historischen Einleitung die sprachlichen und sachlichen Erläuterungen bewusst reichlich gehalten sind.

IV Cicero, Ausgewählte Briefe (W. Voigt, Aschendorff, 1985)

Bestandteile: Textband und Erläuterungsband

Textauswahl: Sie umfasst 62 Briefe und ist der Schöningh-Ausgabe sehr ähnlich, doch wird hier mit der Kapitelgliederung keine thematische Gruppierung vorgenommen, sondern eine rein chronologische.

Besonderheiten: Die große Auswahl deckt alle Lebensabschnitte und -bereiche Ciceros ab. Ein großer Nachteil, unter dem die Benutzbarkeit des Textbandes sehr leidet, ist das Fehlen jeglicher Themenangabe zu den einzelnen Briefen. Unglücklicherweise wird auch im Kommentarband nicht zu jedem Brief eine Einleitung geboten, sodass der an einer thematischen Lektüre interessierte Benutzer zur Orientierung auf andere Literatur bzw. Textausgaben angewiesen ist.

V Cicero, Briefe (W. Flurl u. a., ratio-Reihe Band 22, Buchner, 1991)

Textauswahl: Die Lektüre der Briefe soll einen Einblick vom Menschen Cicero mit all seinen Facetten liefern. Die Anordnung der 30 Briefe übernimmt die Dreiteilung vom bayerischen Lehrplan (Briefe als biographische/ historische/ kulturgeschichtliche Quelle) und hält sich innerhalb der drei Abschnitte an die chronologische Reihenfolge. Auch wenn die politischen Briefe in dieser Ausgabe nicht im Zentrum stehen, wird dennoch eine diesbezügliche thematische Lektüre durch die Verweise auf entsprechende Briefe ermöglicht, die sich im Rahmen des in der Einleitung gegebenen sehr lesenswerten Überblicks über Ciceros Leben finden.


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Besonderheiten: Im sub-linea-Kommentar zu jedem Brief werden ganz gezielte Vokabel- und Übersetzungshilfen geliefert, die ein flüssiges Lesetempo ermöglichen sollen.

Ausführlichere sachliche Informationen werden im Sachkommentar in der zweiten Hälfte der Ausgabe geboten.

VI Epistularum genera multa... Cicero - Plinius. Authentische Briefliteratur am Ende der Römischen Republik und in der frühen Kaiserzeit (U. Prutscher/ W. Vogt, Diesterweg, 1991)

Textauswahl: Die Textsammlung zum Thema "Briefliteratur" stellt die entsprechend der Vielzahl menschlicher Grundsituationen differenzierten Anwendungsmuster der Gattung Brief anhand der Korrespondenzen Ciceros und des Jüngeren Plinius vor, aus denen 18 bzw. 11 Briefe in diese Auswahl aufgenommen worden sind. Die Zielsetzung der Ausgabe machte eine chronologische bzw. thematische Sortierung nicht erforderlich. Die Einzelbriefe werden quasi herausgelöst aus dem historischen Zusammenhang als exempla für eine bestimmte Briefform betrachtet. Daher sind auch keine größeren thematischen Blöcke vorhanden.

Besonderheiten: Die Präsentation der einzelnen Briefe gliedert sich in eine Einleitung, den Brieftext, der teilweise kolometrisch eingerückt dargeboten wird, einen Sprachkommentar, einen Inhalts- und Sachkommentar sowie ausführliche und sehr lesenswerte Zusammenfassungen der Briefe, die die inhaltliche Gliederung und Stileigentümlichkeiten berücksichtigen sowie Interpretationsanregungen bieten.

Weitere hilfreiche Textausgaben zum Thema:

- Cicero, Pro Marcello / Pro Ligario mit zugehörigen Briefen (K. Atzert, Schöningh)

Textband und Erläuterungsband.

- Cicero und Caesar zwischen Republik und Diktatur. Texte beider Autoren (G. Röttger, Vandenhoeck & Ruprecht, 2.Auflage 1971)

Textband und Erläuterungsband.

- Cicero, Briefe aus der Zeit der Herrschaft Caesars (H. Dahlmann, Heidelberger Texte, Carl Winter Verlag, 1969)

 

5. Weitere Literatur

W. Ax: Cicero - Mensch und Politiker. Auswahl aus seinen Briefen, Stuttgart 1953.

M. Tullius Cicero: Drei Reden vor Caesar, lat.-dt., übers. und hrsg. von M. Giebel, Stuttgart 1999 (Reclam).

H. Dahlmann: Cicero, Caesar und der Untergang der libera res publica, Gymnasium 75 (1968), 338-357.

M. Fuhrmann: Cicero und die römische Republik, München 1992.


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M. Giebel: Marcus Tullius Cicero (mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten), Reinbek 1977 (Rowohlt Bildmonographie).

C. Habicht: Cicero, der Politiker, München 1990.

H. Liebing: Ciceros Briefe im Unterricht, AU 9,1 (1966), 74-97.

Anmerkungen

1 Vgl. "Vorläufiger Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule - Gymnasiale Oberstufe - Fach Latein", 1994, 30, 58, 82.

2 Die Schule in NRW. Richtlinien und Lehrpläne. Latein – Gymnasium Sek. I, 1993, 107; Richtlinien für die gymnasiale Oberstufe in NRW – Lateinisch, 50 ff.

3 Lehrplan für das bayerische Gymnasium. Fachlehrplan für Latein, 1991, 1514, 1540,1561.

4 H. Liebing: Ciceros Briefe im Unterricht, AU 9,1 (1966), 74 f.

5 Eine vorzügliche kurze Einführung in Inhalt, Entstehung und Charakter der einzelnen Briefsammlungen bietet H. Dahlmann: M. Tullius Cicero, Briefe aus der Zeit der Herrschaft Caesars, Heidelberg 1969, 5-22.

6 W. Ax: Cicero - Mensch und Politiker. Auswahl aus seinen Briefen, Stuttgart 1953.

7 Folgende Literatur wurde verwendet: 

H. Dahlmann: Cicero, Caesar und der Untergang der libera res publica, Gymnasium 75 (1968), 338-357.

M. Fuhrmann: Cicero und die römische Republik, München 1992.

M. Giebel: Marcus Tullius Cicero (mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten), Reinbek 1977.

C. Habicht, Cicero, der Politiker, München 1990.

 

Ralf Schult, Hümmlingweg 1, 13589 Berlin