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Pegasus 3/ 2002, 11

 

7.1 Griechischer Schülertext und Kommentar38

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7.2 Übersetzung39

(121) Die Königsherrschaft des Proteus soll Rhampsinit übernommen haben, der als Denkmal die gegen Westen gelegene Vorhalle des Hephaistostempels hinterließ und der Vorhalle gegenüberliegend zwei Standbilder errichtete, 25 Ellen in der Höhe, von denen die Ägypter das gegen Norden stehende "Sommer" nennen und das gegen Süden "Winter". Und welches sie "Sommer" nennen, dieses verehren sie und erweisen ihm Gutes, aber das, welches "Winter" genannt wird, dem bereiten sie das Gegenteil davon.

(a) [1] Dieser König erlangte einen großen Geldreichtum, den keiner von den später nachgefolgten Königen übertreffen oder auch ihm nahekommen konnte. Weil er sein Vermögen in Sicherheit aufbewahren wollte, ließ er eine steinerne Kammer bauen, von deren Wänden eine an die Außenseite des Königspalastes stieß. Der Baumeister ersann hinterlistig Folgendes: Er richtete es ein, dass einer von den Steinen sowohl von zwei Männern als auch von nur einem leicht aus der Mauer herausnehmbar sei. [2] Als die Kammer fertiggestellt worden war, häufte der König sein Vermögen in ihr auf, aber nach einiger Zeit rief der Baumeister gegen Ende seines Lebens seine Söhne zu sich (denn er hatte zwei) und erzählte diesen, wie er in seiner Fürsorge für jene, dass sie ein Leben im Überfluss hätten, beim Bau des Schatzhauses des Königs eine List ersonnen habe. Nachdem er ihnen alles über das Herausnehmen des Steines genau erklärt hatte, gab er ihnen seine Lage mit der Ankündigung an, dass sie, wenn sie dies sorgsam bewahrten, Schatzmeister des Vermögens des Königs sein würden. [3] Und so starb dieser, seine Söhne aber machten sich ohne langen Aufschub ans Werk; sie gingen nachts zum Königspalast und fanden den Stein an der Kammer, dann nahmen sie ihn mit Leichtigkeit in die Hand und trugen viel Geld davon.

(b) [1] Als nun einmal der König die Kammer öffnete, geriet er in Erstaunen, als er die Gefäße vom Geld entleert erblickte, aber er wusste nicht, wen er beschuldigen solle, da die Siegel unversehrt waren und die Kammer verschlossen war. Als ihm beim wiederholten Öffnen das Vermögen immer weniger erschien (denn die Diebe hörten nicht auf zu plündern), machte er Folgendes: Er ließ Fallen anfertigen und diese um die Gefäße legen, in denen das Geld war. [2] Als die Diebe wie in der Zeit zuvor gekommen waren und der eine von ihnen hineingekrochen war, verfing er sich, nachdem er auf das Gefäß zugegangen war, sofort in der Falle. Als er erkannte, in welchem Unglück er sich befand, rief er sofort seinen Bruder, zeigte ihm seine Lage und forderte ihn auf, schleunigst hereinzukriechen und ihm dann den Kopf abzuhauen, damit er nicht, wenn er gesehen und erkannt würde, wer er sei, auch jenen noch dazu ins Verderben stürze. Diesem schien er Gutes zu sagen, und er tat dies, dazu überredet, und nachdem er den Stein eingefügt hatte, ging er mit dem Kopf des Bruders nach Hause.

(g) [1] Als es Tag geworden war, ging der König in die Kammer und erschrak dann, als er sah, dass der Körper des Diebes in der Falle ohne Kopf, die Kammer aber unbeschädigt war und weder einen Eingang noch einen Ausgang hatte. In seiner Ratlosigkeit tat er Folgendes: Er ließ den Leichnam des Diebes an der Mauer aufhängen, stellte Wächter dort auf und befahl ihnen daraufhin, denjenigen, den sie in lautes Weinen oder Wehklagen ausbrechen sähen, festzunehmen und dann zu ihm zu führen. [2] Als nun der Leichnam hing, war seine Mutter betrübt und sie sprach mit dem überlebenden Sohn und forderte ihn dabei auf, auf welche Weise auch immer er es könne, zu bewerkstelligen, dass er den Körper des Bruders loslöse und dann herbeibringe. Wenn er sich darum nicht kümmern werde, so drohte sie, werde sie zum König gehen und anzeigen, dass er das Geld habe.

(d) [1] Weil die Mutter den überlebenden Sohn heftig tadelte und er, obwohl er vieles zu ihr sagte, sie nicht umstimmte, ersann er folgende List: Nachdem er Esel gerüstet und Schläuche mit Wein gefüllt hatte, lud er sie auf die Esel und trieb sie dann voran. Als er in der Nähe derjenigen war, die den aufgehängten Leichnam bewachten, zog er an zwei oder drei Schlauchzipfeln und löste sie dadurch, so dass sie herabhingen. [2] Als der Wein floss, schlug er sich unter lautem Schreien an den Kopf, als ob er nicht wisse, zu welchem Esel er sich zuerst wenden solle. Als die Wächter den Wein in Strömen auslaufen sahen, kamen sie mit Gefäßen auf dem Weg zusammen und fingen den vergossenen Wein auf, weil sie ihn für Gewinn hielten. [3] Dieser nun beschimpfte alle heftig, wobei er Zorn vortäuschte. Als die Wächter ihn zu besänftigen versuchten, gab er vor, sich allmählich zu beruhigen und in seinem Zorn nachzulassen, und schließlich trieb er die Esel vom Weg und bepackte sie erneut. [4] Als weitere Worte gewechselt wurden und man auch seinen Spaß mit ihm trieb und ihn zum Lachen brachte, gab er ihnen noch einen von seinen Weinschläuchen. Nachdem diese sich dort, so wie sie waren, niedergelegt hatten, dachten sie nur noch ans Trinken und luden jenen ein und forderten ihn auf, bei ihnen zu bleiben und mitzutrinken. Dieser ließ sich überreden und blieb natürlich auch. [5] Als sie ihn beim Zechen freundlich aufnahmen, gab er ihnen noch einen weiteren von den Weinschläuchen dazu. Weil die Wächter reichlich dem Trank zugesprochen hatten, bezechten sie sich übermäßig, und vom Schlaf überwältigt schliefen sie dort ein, wo sie gerade tranken. [6] Dieser nun löste, als es tief in der Nacht war, den Körper des Bruders los und schor allen Wächtern zu ihrer Schande die rechten Wangen, und nachdem er den Leichnam auf die Esel gelegt hatte, zog er nach Hause und hatte somit den Auftrag der Mutter ausgeführt.

(e) [1] Als dem König gemeldet wurde, dass der Leichnam des Diebes gestohlen sei, tobte er vor Wut, und weil er unbedingt wollte, dass ermittelt werde, wer es denn sei, der dies ersinne, tat er Folgendes, für mich Unglaubwürdiges: [2] Er schickte seine eigene Tochter mit dem Auftrag ins Bordell, alle in gleicher Weise zu empfangen, und bevor sie mit jemandem schlafe, ihn zu nötigen, ihr zu sagen, was denn von ihm als schlauste und was als frevelhafteste Tat in seinem Leben begangen worden sei. Falls jemand die den Dieb betreffenden Geschehnisse erzähle, solle sie diesen festhalten und nicht weggehen lassen. [3] Als die Tochter den Auftrag des Vaters ausführte, wollte der Dieb, als er erfahren hatte, weswegen sie dies tat, den König an Verschlagenheit übertreffen und machte deshalb Folgendes: [4] Er schnitt vom frischen Leichnam an der Schulter den Arm ab und ging dann mit ihm unter dem Mantel los, und als er zu der Tochter des Königs gekommen war und gefragt wurde, was auch die anderen gefragt worden waren, erzählte er, dass als frevelhafteste Tat von ihm begangen worden sei, dass er dem Bruder, als der in der Schatzkammer des Königs in einer Falle gefangen worden war, den Kopf abgehauen habe, und als schlauste Tat, dass er die Wächter betrunken gemacht und dann den aufgehängten Leichnam des Bruders losgelöst habe. [5] Als diese das hörte, tastete sie nach ihm. Der Dieb aber streckte ihr in der Dunkelheit den Arm des Leichnams hin. Diese hielt ihn ergriffen, in der Meinung, den Arm von ebenjenem festzuhalten. Der Dieb aber überließ ihr den Arm und floh dann eilig durch die Tür.

(z) [1] Als auch dies dem König gemeldet war, war er über die Klugheit und Kühnheit des Mannes erschreckt, und schließlich schickte er Boten in alle Städte und erließ dadurch die Bekanntmachung, dass er dem Dieb Straflosigkeit gewähre und eine große Belohnung verspreche, wenn er ihm vor Augen trete. [2] Der Dieb ging voll Vertrauen zu ihm, und Rhampsinit bewunderte ihn sehr und gab ihm als dem klügsten unter den Menschen die erwähnte Tochter zur Frau. Denn die Ägypter gelten als die Klügsten unter den übrigen Völkern, jener aber galt als Klügster unter den Ägyptern.

 

7.3 Charax Pergamenus, Frg. 6

 

7.4 Pausanias, 9,37,5-7

 

7.5 Johannes de Alta Silva: Dolopathos sive de rege et septem sapientibus: historia secundi sapientis: Gaza

 

7.6 Hans Sachs: der Schatzturm

7.7 Brüder Grimm: Der Meisterdieb

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7.8 Heinrich Heine: Rhampsenit
1. Als der König Rhampsenit

Eintrat in die goldne Halle

Seiner Tochter, lacht diese,

Lachten ihre Zofen alle.

 

11. In der Nacht vom dritten zu dem

Vierten Junius des Jahres

Dreizehnhundert vier und zwanzig

Vor Christi Geburt, da war es,

 

2. Auch die Schwarzen, die Eunuchen,

Stimmten lachend ein, es lachten

Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,

Daß sie schier zu bersten dachten.

 

12. Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus

Eine Menge von Juwelen

Uns entwendet; es gelang ihm

Uns auch später zu bestehlen.

 

3. Die Prinzessin sprach: Ich glaubte

Schon den Schatzdieb zu erfassen,

Der hat aber einen toten

Arm in meiner Hand gelassen.

 

13. Zur Ermittelung des Täters

Ließen schlafen wir die Tochter

Bei den Schätzen - doch auch jene

Zu bestehlen schlau vermocht' er.

 

4. Jetzt begreif' ich, wie der Schatzdieb

Dringt in deine Schatzhauskammern,

Und die Schätze dir entwendet

Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.

 

14. Um zu steuern solchem Diebstahl

Und zu gleicher Zeit dem Diebe

Unsre Sympathie zu zeigen,

Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,

 

5. Einen Zauberschlüssel hat er,

Der erschließet allerorten

Jede Türe, widerstehen

Können nicht die stärksten Pforten.

 

15. Wollen wir ihm zur Gemahlin

Unsre einz' ge Tochter geben,

Und ihn auch als Thronnachfolger

In den Fürstenstand erheben.

 

6. Ich bin keine starke Pforte

Und ich hab' nicht widerstanden,

Schätzehütend diese Nacht

Kam ein Schätzlein mir abhanden.

 

16. Sintemal uns die Adresse

Unsres Eidams noch zur Stunde

Unbekannt, soll dies Reskript ihm

Bringen Unsrer Gnade Kunde.

 

7. So sprach lachend die Prinzessin

Und sie tänzelt im Gemache,

Und die Zofen und Eunuchen

Hoben wieder ihre Lache.

 

17. So geschehn den dritten Jenner

Dreizehnhundert zwanzig sechs

Vor Christi Geburt. - Signieret

Von uns: Rhampsenitus Rex.

 

8. An demselben Tag ganz Memphis

Lachte, selbst die Krokodile

Reckten lachend ihre Häupter

Aus dem schaumig gelben Nile,

 

18. Rhampsenit hat Wort gehalten,

Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,

Und nach seinem Tode erbte

Auch der Dieb Ägyptens Krone.

 

9. Als sie Trommelschlag vernahmen

Und sie hörten an dem Ufer

Folgendes Reskript verlesen

Von dem Kanzelei-Ausrufer:

 

19. Er regierte wie die andern,

Schützte Handel und Talente;

Wenig, heißt es, ward gestohlen

Unter seinem Regimente.

 

10. Rhampsenit von Gottes Gnaden

König zu und in Ägypten,

Wir entbieten Gruß und Freundschaft

Unsern Vielgetreun und Liebden.