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                                       Pegasus-Onlinezeitschrift IV/1 (2004), 79

Constanze Dziallas-Barz

Das Brandenburger Tor im Lateinunterricht

I. Skizze zur Planung und Durchführung der Unterichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit wurde durch einen Vortrag von Frau Dr. Barbara Demandt zum Thema: „Ein altphilologischer Spaziergang rund um das Brandenburger Tor“ angeregt, der im Rahmen einer Veranstaltung des Deutschen Altphilologenverbandes im September 2003 direkt am Brandenburger Tor stattfand. Da das Brandenburger Tor aufgrund seiner zahlreichen Bezüge zur Antike einen lohnenden Unterrichtsgegenstand für den Latein- und Griechischunterricht darstellt, haben die Referendarinnen und Referendare meines Fachseminars die Konzeption zu einer kleinen Unterrichtseinheit entworfen, Materialien dazu erstellt und die Einheit mit der Seminarklasse (10. Klasse, Latein 2. Fsp.) durchgeführt. Unter Berücksichtigung der ungünstigen Arbeitsbedingungen am Brandenburger Tor (lauter Autoverkehr, schwierige Betrachtung der in den engen Tordurchfahrten hoch angebrachten Reliefs) sollten im Rahmen dieser kleinen Einheit die zentralen Aspekte der politischen Geschichte und Architektur des Tores sowie seine spezifischen Elemente der Antikerezeption schülerorientiert im Klassenraum und vor Ort erarbeitet werden.

Die Unterrichtseinheit gliederte sich in drei Bereiche:
- Vorbereitende Hausaufgabe
- Vorbereitende Unterrichtsstunde
- Exkursion zum Brandenburger Tor mit anschließender Auswertung

Die vorbereitende Hausaufgabe bestand aus dem Lesen und Memorieren der Informationsbögen zum Leben und zu den Taten des Herakles, um insbesondere diejenigen Taten und Lebensabschnitte des Helden zu wiederholen, die am Brandenburger Tor Berücksichtigung fanden.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der vorbereitenden Unterrichtsdoppelstunde bildete die Geschichte des Brandenburger Tores. Wir entschieden uns für ein Lernen an vier Stationen: Tische und Stühle wurden in der Mitte des Klassenraums zusammengestellt. Zu jeder Station gehörten jeweils ein Textplakat und eine zeitgenössische bildliche Darstellung. Jeweils ein Textplakat und das dazu passende Bild wurden an einer Wand des Klassenraums für alle gut les- und sichtbar angebracht.

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Station 1: Entstehungszeit des Brandenburger Tors
Station 2: Das Brandenburger Tor zur Zeit Napoleons
Station 3: Das Brandenburger Tor bis zum 1. Weltkrieg
Station 4: Das Brandenburger Tor im Nationalsozialismus und in der DDR

Die Klasse wurde in vier Gruppen zu je vier Schülern eingeteilt. (Vor jedem Plakat sollten nicht mehr als vier Schüler stehen, um ein intensives Arbeiten zu ermöglichen. Bei größeren Klassen sollte jede Station doppelt im Klassenraum vorhanden sein, so dass bis zu 32 Schüler gleichzeitig arbeiten können.) Die Schüler erhielten folgenden Arbeitsauftrag: „Bleibt in eurer Gruppe zusammen. Lest euch alle in der Gruppe den Text des Plakates durch. Einigt euch in der Gruppe auf höchstens 15 einzelne Worte oder Zahlen und beliebig viele Zeichen, Symbole oder Bilder, die ihr aufschreibt, um den Inhalt eines jedes Plakates im Anschluss an die Stationsarbeit referieren zu können. Für jede Station habt ihr ca. 10 Minuten Zeit. Danach geht ihr im Uhrzeigersinn zur nächsten Station. Der Lehrer gibt das Zeichen für den Wechsel der Stationen.“

Die Schüler arbeiteten nach diesem Arbeitsauftrag etwa 40 bis 50 Minuten an den Stationen; im Anschluss daran wurde ein Plenum gebildet. Die Schülergruppen wurden aufgefordert, an Hand ihrer Notizen den Inhalt der einzelnen Stationen zu referieren. Die Gruppen sollten sich jeweils ergänzen bzw. Fragen untereinander oder mit Hilfe des Lehrers klären. Das Plenumsgespräch beanspruchte etwa 20 Minuten. Im Anschluss daran erhielt jeder Schüler ein Rätsel und fünf Zusatzaufgaben, um das Verständnis der historischen Abbildungen des Brandenburger Tores inhaltlich noch weiter zu vertiefen. Die Bearbeitung des Rätsels und der Zusatzaufgaben können auch als Wettbewerb gestaltet werden, indem jeder einzelne Schüler möglichst zügig die Fragen beantwortet. Bei Bedarf können die Schüler sich auch erneut an den Plakaten oder Bildern informieren. Für das Rätsel und die Zusatzaufgaben benötigten die Schüler 10-15 Minuten. Die Auflösung des Rätsels erfolgte innerhalb von wenigen Minuten im Plenumsgespräch.

An diese Doppelstunde schloss sich unmittelbar die Exkursion zum Brandenburger Tor an. Unter Beibehaltung der Vierergruppen erhielt jede Gruppe vor Ort die Arbeitsmaterialien:
1. Arbeitsbogen Architektur und Zusatzblatt Architektur
2. Gottheiten im Brandenburger Tor
3. Das Attikarelief
4. Herakles und das Brandenburger Tor

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Die Arbeitsaufträge wurden auf den Arbeitsblättern vermerkt, so dass die Schüler jeweils in ihrer Vierergruppe sofort mit der Arbeit beginnen konnten. Die Schüler konnten vollkommen selbstständig arbeiten und benötigten ca. 90 Minuten Bearbeitungszeit. Die Besprechung der Arbeitsergebnisse erfolgte direkt am Brandenburger Tor. Jeweils zwei Referendare waren mit dem Lösungsbogen zu einem Thema ausgestattet und konnten so als Expertenteam die Überprüfung der Arbeitsergebnisse der Schüler vornehmen. Die Schülergruppen wechselten nach ca. 6-8 Minuten Besprechungszeit zum nächsten Expertenteam. Nach ca. 30 Minuten war somit die Besprechung der Arbeitsergebnisse beendet, und alle Schülergruppen verfügten über vollständige bzw. korrigierte Arbeitsunterlagen. Selbstverständlich kann die Auswertung auch in der Schule stattfinden, wobei sich ebenfalls ein Stationsverfahren anbietet. Die Lösungsbögen zu den vier Aufgabenbereichen können an vier Stationen ausliegen, so dass die Schülergruppen nach ca. zehn Minuten zur nächsten Station wechseln. Bei entsprechend größeren Schülergruppen sollten auch die Lösungsbögen wieder in doppelter Ausfertigung (also an 2 x 4 Tischen) ausliegen.

Insgesamt äußerten sich die Schüler der 10. Klasse sehr positiv zu dieser kleinen Unterrichtseinheit. Sie fühlten sich umfassend informiert, hatten Spaß bei der Bearbeitung der Arbeitsaufträge und lobten insbesondere das schön gestaltete Arbeitsmaterial. Während der einzelnen Arbeitsphasen sowohl in der vorbereitenden Stunde als auch am Brandenburger Tor arbeiteten die Schüler sehr intensiv am Sachthema und kommunizierten innerhalb ihrer Gruppen sehr lebhaft über die jeweiligen Fragestellungen. Es herrschte durchweg eine entspannte und doch konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Der laute Autoverkehr am Brandenburger Tor störte wenig, da die Schüler in kleinen Gruppen mit ihrem Arbeitsmaterial arbeiteten und keinem Vortrag zuhören mussten. Auch die Reliefbetrachtung an den engen Durchfahrten war für die Kleingruppen leicht zu bewältigen. Wir hoffen, mit der Erstellung dieser Arbeitsmaterialien und dem Vorschlag zu einer Unterrichtseinheit Lehrer unterstützen zu können, die ihren Schülern das Brandenburger Tor näher bringen wollen.


Constanze Dziallas-Barz
Fachseminarleiterin
Paul-Natorp-Oberschule


Hinweis der Redaktion:
Die komplette Materialsammlung zur Geschichte des Tores, das Kreuzworträtsel (incl. Lösung), zur Architektur des Tores, zum Herakles-Mythos, zur Herakles-Rezeption am Brandenburger Tor, zur Darstellung anderer Götter sowie zum Attikarelief können Sie direkt bei der Redaktion als pdf-Dokument anfordern.