zurück     |       |   Seite drucken    

                        Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 72

Michael Hotz

Intensivierungsstunden am achtjährigen Gymnasium in Bayern

Ziele, Organisation und ihre Umsetzung im Lateinunterricht(1)


Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums in Bayern brachte neben vielen anderen Veränderungen innerhalb der gymnasialen Schullandschaft als zweifellos wichtigste Neuerung die Einrichtung von so genannten Intensivierungsstunden mit sich.
Dabei werden in allen Jahrgangsstufen der Unter- und Mittelstufe eigene Stunden (3 Stunden in Jgst. 5 und 6,  2 Stunden in den Jgst. 7-9) in der Stundentafel zur Verfügung gestellt, in denen in kleineren Lerngruppen ohne Notendruck und dennoch fachbezogen unterrichtet werden kann. Dabei wird die Klasse für die Intensivierungsstunde geteilt, für jede Gruppe ist eine ganze Lehrerstunde im Budget vorgesehen.
Mit diesen Intensivierungsstunden werden den Lehrkräften pädagogische Instrumente an die Hand gegeben, die sie zur gezielten individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler nützen sollen. Dabei werden von Seiten der Gymnasialschulordnung (GSO) bewusst nur wenige Vorgaben gemacht:
"Intensivierungsstunden sind besondere Stunden für die individuellere Förderung der Schüler in kleineren Lerngruppen. Diese Stunden dienen nicht der Vermittlung von Lehrplaninhalten. Vielmehr sollen sie den individuellen Lernprozess durch gezieltes Üben, Wiederholen und Vertiefen unterstützen. Zudem bieten sie die Möglichkeit, auch die Potenziale von besonders Begabten zielgerichteter zu fördern. Bei der Zuordnung zu den Fächern können auch individuelle schulische Schwerpunktsetzungen (Schulprofil) berücksichtigt werden." (Anlage 1 neu Fußnote 9)

Ziele
Die Aufteilung der Klassen in kleinere Lerngruppen soll also eine individuellere Förderung der Schüler ebenso ermöglichen wie die Entwicklung der Persönlichkeit in den Bereichen der Selbst-, Sach-, Sozial- und Methodenkompetenz unterstützen. Dabei werden sowohl Lerndefizite bei leistungsschwächeren Schülern ausgeglichen als auch Lernpotenziale leistungsstärkerer Schüler gezielt gefördert.
Durch kontinuierliches und zielgerichtetes Üben, Wiederholen und Vertiefen wird so nicht nur das Grundwissen der Schüler gefestigt, sondern auch die Nachhaltigkeit des Lernens gewährleistet. Zugleich wird durch das Arbeiten in kleineren Gruppen der soziale Zusammenhalt der Klasse gestärkt, was in Zusammenklang mit der bewussten Auswahl verschiedener intensivierungsstunden- und altersadäquater Unterrichtsmethoden und Sozialformen zu einer gesteigerten Lernmotivation der Schüler führt. Rückmeldungen aus der Praxis bestätigen gerade diesen letztgenannten Aspekt als essentielles Merkmal von Intensivierungsstunden.

Chancen und Herausforderungen
Intensivierungsstunden bieten Lehrern wie Schülern eine Reihe von Chancen, aber auch Herausforderungen: Das Unterrichten im notenfreien Raum nimmt von den Schülern den Druck, durch das Zusammenspiel von kleinerer Lerngruppe, methodisch auf die Inhalte abgestimmtem Unterricht und dem Fehlen einer Neudurchnahme von verbindlichen Lehrplaninhalten entsteht eine angenehme und motivierende Unterrichtsatmosphäre, die die Schüler zu einer verstärkten Mitarbeit anregt und gleichzeitig mehr Raum für das Stellen von Fragen bietet - ein pädagogischer Freiraum, der im herkömmlichen Klassenunterricht, bedingt durch die in der Regel hohe Klassenstärke, in dieser Form nicht immer gegeben ist.


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 73

Diese Möglichkeit eines verstärkten Aufeinander-Zugehens von Schülern und Lehrern bietet gerade der Lehrkraft die Möglichkeit einer intensiveren Beschäftigung mit der Person und Persönlichkeit eines jeden einzelnen Schülers. Hierdurch ist sie in weitaus höherem Maße als bisher in der Lage, Potenziale, Neigungen, Stärken, aber auch Defizite und Schwächen des einzelnen Schülers zu erkennen. Dies fordert vom Lehrer eine erhöhte Bereitschaft und Fähigkeit zur Diagnose, d. h. er darf nicht allein die fachlichen Fähigkeiten in den Blick nehmen, sondern soll durch den verstärkten persönlichen Kontakt auch andere psychologisch relevante Faktoren mit in sein pädagogisches Urteil einbeziehen.
Eine solche Weitung des pädagogischen Anspruchsniveaus bedeutet für die einzelne Lehrkraft eine Herausforderung, zu deren Bewältigung unterstützende Maßnahmen z. B. in Form von schulinternen oder externen Fortbildungen wesentlich beitragen können.
Die Schüler ziehen neben der intensiven pädagogischen Betreuung aber auch noch weiteren Nutzen aus Intensivierungsstunden, vor allem im fachlichen Bereich: So festigen sie beim gezielten Üben, Wiederholen, Vertiefen und Verknüpfen durch den passgenauen Einsatz von Unterrichtsmethoden ihre Kenntnisse, schließen Lücken bzw. weiten ihren Horizont bei der Bearbeitung weiterführender Aufgaben. Gleichzeitig können sie beispielsweise im methodischen Bereich fachspezifische Arbeitstechniken einüben, Arbeitsvorgänge automatisieren oder Prüfungen nachbereiten (zur konkreten Umsetzung im Fach Latein s. u.).
Einen derartigen Ausbau der Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Kinder erwarten auch die Eltern von den Intensivierungsstunden. Sie legen besonderen Wert auf eine intensive Betreuung ihres Kindes, ein verstärktes Eingehen auf seine Stärken und Schwächen. Gleichzeitig bewegt sie aber auch die Sorge um eine Überlastung ihrer Kinder durch lange Unterrichtszeiten, verstärkten Nachmittagsunterricht oder die mangelnde Ausstattung der Schulen für diese neuen Formen des gymnasialen Unterrichts. Eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist daher, gerade im Zusammenhang mit Konzeption und Umsetzung der Intensivierungsstunden, von großer Wichtigkeit. Die Einbindung der Eltern (z. B. im Rahmen des Schulforums) stellt also einen wesentlichen Faktor für das Gelingen dieses Unterrichtskonzepts dar.

Organisatorische Umsetzung an der Schule
Eine erfolgreiche Umsetzung des Konzepts der Intensivierungsstunden erfordert die Berücksichtigung einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren. So muss zunächst die grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, welche Fächer bzw. fachunabhängigen oder fächerübergreifenden Bereiche Intensivierungsstunden zugesprochen bekommen. Hierbei wird auch das jeweilige Schulprofil eine gewichtige Rolle spielen. Daneben muss aber auch u. a. über den Einsatz der Lehrkräfte, die Aufteilung der Klasse in Lerngruppen oder die zeitliche Planung über das Schuljahr hinweg entschieden werden.
Im Folgenden seien beispielhaft drei Bereiche der organisatorischen Umsetzung herausgegriffen und näher besprochen, mit denen sich die Gymnasien zu beschäftigen haben.

Einsatz der Lehrkräfte
Gerade beim Einsatz der Lehrkräfte in den Intensivierungsstunden eröffnet sich eine Vielzahl von organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten. So ist, natürlich immer vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit der Lehrkräfte bzw. der budgetrelevanten Ressourcen, zu entscheiden, ob die Intensivierungsstunden-Gruppen immer vom jeweiligen Fachlehrer oder einer ansonsten nicht in der Klasse eingesetzten Fachlehrkraft ("Fremdlehrer") unterrichtet werden. Bei fachlich gebundenen Intensivierungsstunden kann sowohl die jeweilige Fachlehrkraft der Klasse als auch ein Fachkollege eingesetzt werden. Legt man Wert darauf, dass beide Teilgruppen einer Klasse von derselben Fachlehrkraft unterrichtet werden – etwa zur besseren Gewöhnung in der 5. Jahrgangsstufe an das Fachlehrerprinzip oder um eine Gleichbehandlung beider Gruppen zu gewährleisten – hat dies zwangsläufig Auswirkungen auf den Stundenplan. Aber auch die Sorge um eine Gleichbehandlung der beiden Teilgruppen ist bei Eltern wie Schülern sehr groß.


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 74

Natürlich erfordert der Einsatz verschiedener Lehrkräfte in einem Intensivierungsfach eine enge Absprache der Kollegen untereinander. Bisweilen wird es für nachteilig erachtet, wenn die Lehrkraft die Schüler einer Intensivierungsgruppe zu wenig kennt. Andererseits wird es häufig als Vorteil gesehen, wenn Schüler durch eine fremde Lehrkraft einen anderen Ansatz und eine andere Vorgehensweise erfahren.
Für eine "Fremdlehrkraft" spricht zudem aus Schülersicht, dass der Intensivierungslehrer dadurch noch stärker den Charakter eines neutralen Förderlehrers hat, der ausschließlich unterstützt und berät und nicht in Versuchung gerät, Eindrücke aus dem Intensivierungsunterricht unbewusst für die Beurteilung des Schülers heranzuziehen.
Unterschiedliche Lehrkräfte im Fach- und Intensivierungsunterricht erleichtern zudem die individuelle Gruppenbildung für jedes Fach, da dadurch ein flexiblerer Lehrereinsatz ermöglicht wird. Es sei aber auch nicht verschwiegen, dass der Einsatz von "Fremdlehrkräften" durchaus auch zu Disziplin- und Motivationsproblemen bei den Schülern führen können, da diese Stunden bisweilen als weniger relevant für den regulären Unterricht empfunden werden. Eine enge Abstimmung der "Fremdlehrkraft" mit dem Fachlehrer sowie eine konzeptionell abgesicherte Einbindung in das Gesamtkonzept des Fachunterrichts ist in diesem Zusammenhang also dringend geboten.

Aufteilung der Klassen
Hierbei stellt sich zunächst die Frage, ob innerhalb einer Klasse, klassenübergreifend oder jahrgangsstufenübergreifend geteilt werden soll. Dies kann auch von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe unterschiedlich entschieden werden. Bei einer Teilung innerhalb der Klasse – einer Möglichkeit, von der ein Großteil der Schulen speziell in der Jahrgangsstufe 5 Gebrauch macht – kann u. a. nach den Kriterien Leistung, Zufall (z. B. alphabetische Einteilung) oder pädagogische Gesichtspunkte (z. B. Teilung nach Geschlecht) vorgegangen werden.
Bei einer klassenübergreifenden Erteilung von Intensivierungsstunden kann beispielsweise ein an Fächern oder fächerübergreifenden Kursen orientiertes Intensivierungsstunden-Angebot gemacht werden, für das sich entweder die Schüler zusammen mit den Eltern durch Wahl entscheiden oder von den Lehrkräften nach pädagogischen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Bei einer Einteilung in jahrgangsstufenübergreifende Kurse könnten sich die Schüler beispielsweise durch Wahl für ein bestimmtes Angebot entscheiden. Hierfür fehlen aber, nicht zuletzt bedingt durch die geringe Anzahl von Jahrgangsstufen mit Intensivierungsstunden, bislang noch die praktischen Erfahrungen.

Verteilung der Intensivierungsstunden über das Schuljahr und den Stundenplan
Von der Frage der Verteilung der Schüler in den Intensivierungsstunden nicht zu trennen ist der Bereich der zeitlichen Rhythmisierung der Intensivierungsstunden. Gerade bei der Möglichkeit bestimmte Intensivierungsstunden-Angebote zu wählen, erscheint es sinnvoll, innerhalb des Schuljahres einen oder mehrere Einschnitte zu machen, nach denen sich die Schüler für die Belegung einer anderen Kurskombination entscheiden können. So können diese Einschnitte zum Halbjahr erfolgen oder das Schuljahr wird in Trimester zu je ca. 10 Wochen eingeteilt. Zusätzlich kann die Schule dabei entscheiden, ob das "Kurs"-Angebot insgesamt über das gesamte Schuljahr hinweg gleich bleibt oder von Einschnitt zu Einschnitt wechselt. In jedem Fall erscheint aber die individuelle Wahlmöglichkeit als ein wesentlicher Beitrag zur gezielten und erfolgreichen Förderung des einzelnen Schülers.
Wichtige Kriterien bei der Realisierung der unterschiedlichen Einteilungsvarianten stellen außerdem die Personalversorgung, die Vielfalt des Angebots (z. B. Trimester erlauben Themenwechsel), Schülerleistungsprofile (z. B. spezielle Kurse für leistungsstärkere Schüler) u. a. dar.


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 75

In engem Zusammenhang damit steht auch die Verteilung der Intensivierungsstunden innerhalb des Stundenplans. Die Schule hat zu entscheiden, ob die Intensivierungsstunden ausschließlich am Vormittag oder Nachmittag, vormittags und nachmittags, verteilt oder en bloc stattfinden. In diese Entscheidung spielen wiederum viele unterschiedliche Faktoren mit herein wie die Raumsituation der Schule, Wünsche der Lehrer, Wünsche der Eltern, Wertigkeit der Intensivierungsstunden bei den Schülern, allgemeines Schulprofil etc.
Vor diesem Hintergrund wurden bereits eine Vielzahl unterschiedlicher, auf die jeweilige Situation der Schule zugeschnittene Lösungen entwickelt.


Unterrichtliche Umsetzung am Beispiel des Lateinunterrichts
Bei der Planung der Intensivierungsstunden muss die jeweilige Lehrkraft nicht nur großen Wert auf die überlegte Auswahl der jeweils passenden Unterrichtsmethode legen, sie sollte sich auch bereits zu Beginn des Schuljahres überlegen, welche unterrichtliche Organisationsform sie in Hinblick auf ihre Lerngruppe(n) wählt. Gezielte individuelle Förderung hängt auch von einer längerfristigen, das gesamte Schuljahr in den Blick nehmenden Unterrichtsplanung ab.
Hierbei kann die Lehrkraft, unabhängig davon, ob sie Latein als erste oder zweite Fremdsprache unterrichtet, zwischen verschiedenen Organisationsformen, von denen im Folgenden beispielhaft vier genannt seien, auswählen bzw. diese miteinander kombinieren.

a) Bedarfsmodell
Hierbei nimmt die Lehrkraft den jeweiligen Lernfortschritt innerhalb der Kleingruppe(n) in den Blick und entscheidet für jede Intensivierungsstunde neu, welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden. Dies ermöglicht ein flexibles Eingehen auf die momentane Lernsituation jedes einzelnen Schülers. Individuelle Defizite, z. B. in der Wortschatzarbeit oder bei Schwierigkeiten im Rahmen der Grammatikneudurchnahme können so für die Gruppe, aber auch jeden einzelnen Schüler gezielt und zeitnah behoben werden.

b) Bausteinmodell
Die Lehrkraft, die um bestimmte Stoffschwerpunkte des Schuljahres und die ggf. damit verbundenen Schwierigkeiten für die Schüler weiß, entwickelt z. B. zu Beginn des Schuljahres einzelne Unterrichtseinheiten für Intensivierungsstunden, die dann zum entsprechenden Zeitpunkt gehalten werden. So können im ersten Lernjahr beispielsweise zu den Themenbereichen Relativsatz oder AcI Bausteine im Umfang von einer oder mehreren Unterrichtseinheiten entworfen werden, die dann, auch binnendifferenziert zum Zeitpunkt der Behandlung des Stoffes eingesetzt werden können. In den Phasen zwischen diesen Unterrichtsbausteinen reagiert die Lehrkraft, ähnlich wie im Bedarfsmodell, in jeder Intensivierungsstunde neu auf die aktuelle Lernsituation.
Bei diesem Modell bietet sich zudem die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit innerhalb der Fachschaft an. So können die Bausteine für eine bestimmte Jahrgangsstufe leicht von der gesamten Fachschaft (z. B. zu Beginn des Schuljahres) für einen Fachschafts-Materialpool erarbeitet werden. Auf diese Bausteine können dann nicht nur alle Fachkollegen jederzeit zurückgreifen, es wird außerdem auch gewährleistet, dass alle Schüler einer Jahrgangsstufe auf einer einheitlichen Grundlage mit den gleichen Materialien unterrichtet werden.

c) Rondomodell
Beim Rondomodell wechseln sich Stunden, in denen gezielt auf aktuelle Problemfelder (z. B. Wortschatz, Grammatik) eingegangen und intensiv geübt wird, mit Stunden ab, die den Fokus auf die Einübung fachspezifischer Kompetenzen und Kenntnisse legen. Der erstgenannte Stundentyp bildet eine Art Rahmen, während der letztgenannte mit unterschiedlichen Inhalten und Methoden gefüllt werden kann. So entsteht eine Abfolge von Stunden nach dem (musikalischen) Rondo-Muster ABACADA… Dabei besteht immer eine enge Anbindung an den fortlaufenden Unterricht im Klassenverband.


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 76

Eine Tabelle, die eine mögliche Planung für das erste Halbjahr einer 6. Jahrgangsstufe (L2) darstellt, soll die Möglichkeiten, die ein solches Modell bietet, verdeutlichen. Dass dabei natürlich, angepasst an die einzelne Klasse und die jeweilige individuelle Schwerpunktsetzung der Lehrkraft, vor allem in den Teilen B,C,D… auch ganz andere Methoden und Inhalte bzw. eine andere zeitliche Verteilung gewählt werden können, versteht sich von selbst.
Tabelle zum Rondomodel (PDF)l

d) Kurssystem
Die Fachlehrkraft bietet innerhalb eines Intensivierungsstunden-Modulsystems zwei Kurse zu unterschiedlichen thematischen Fachschwerpunkten an (beispielsweise: Wortschatzarbeit, Partizipialkonstruktionen), die die Schüler entsprechend ihrer individuellen Lernsituation wählen können. Nach einem bestimmten Zeitraum, z. B. nach einem Trimester, können diese fachbezogenen Themen entweder erneut angeboten oder variiert und von den Schülern belegt werden.
Ein entsprechender Stundenplan mit den einzelnen Fächerangeboten könnte für eine dreizügige Jahrgangsstufe wie folgt aussehen:

Mittwoch, 7. Stunde

Mittwoch, 8. Stunde

Mittwoch, 9. Stunde

Raum

M Sachaufgaben

M Sachaufgaben

M Sachaufgaben

222

M Geometr.  Grundlagen

L Grammatikwerkstatt:
Partizipien

L Grammatikwerkstatt:
Partizipien

209

L Grammatikwerkstatt:
Partizipien

L Repetitio generalis:
Wortschatz

L Repetitio generalis:
Wortschatz

221

L Repetitio generalis:
Wortschatz

D Grammatikwerkstatt

D Grammatikwerkstatt

212

D Aufbautraining

M Geometr. Grundlagen

D Aufbautraining

225

D Grammatikwerkstatt

D Aufbautraining

M Geometr. Grundlagen

217

Binnendifferenzierung
Die Einteilung der Schüler einer Klasse in leistungsstärkere bzw. leistungsschwächere Gruppen stellt, wie oben erwähnt, eine vielfach praktizierte Möglichkeit der Klassenteilung in Intensivierungsstunden dar. Hierbei können sich aber unter Umständen auch klasseninterne bzw. persönliche Probleme, wie das Gefühl einer ungerechtfertigten Abqualifizierung oder Etikettierung, ergeben, so dass eine derartige Einteilung der Kleingruppen pädagogisch nicht immer sinnvoll erscheint.
Um dennoch der Intention einer begabungsgerechten Förderung entsprechen zu können, bietet es sich an, nach dem Prinzip der Binnendifferenzierung innerhalb einer leistungsmäßig inhomogenen Gruppe individuelle Lern- bzw. Übungsangebote zu machen.
In diesem Zusammenhang sind u. a. folgende Formen der Binnendifferenzierung denkbar:


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 77

- Binnendifferenzierung durch Quantität bzw. Qualität  der Übungsaufgabeninhalte 
- Binnendifferenzierung durch unterrichtliche Sozialformen
- Binnendifferenzierung durch Teamteaching

Quantitäts- und qualitätsmäßige Differenzierung der Aufgabeninhalte bedeutet, dass von einem bestimmten, für alle Schüler in Umfang und Qualität identischen Aufgabensockel ausgegangen wird, zu dem dann, je nach Leistungsstärke, ein oder mehrere Aufgaben-Addita hinzutreten. Diese Addita sind in Umfang und Anspruch auf die jeweils höhere Leistungsfähigkeit angepasst.
Da aber bei einer solchen Form der Binnendifferenzierung die Gefahr eines weiteren "Auseinanderklaffens" der Leistungsschere besteht – also der Unterschied zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schülern weiterhin existiert oder sogar noch verstärkt wird – ist es von größter Wichtigkeit, auf dieses Problem didaktisch angemessen zu reagieren.
Dies kann beispielsweise in Form einer Reflexionsebenendifferenzierung erfolgen(2).
Diese Art der Differenzierung bietet den Vorteil, dass alle Schüler einer nicht leistungsdifferenzierten Intensivierungsgruppe denselben Aufgabeninhalt und -umfang absolvieren, so dass sowohl dem "Gleichheitsgrundsatz" innerhalb der Gruppe wie auch dem Grundsatz einer begabungsgerechten individuellen Förderung entsprochen wird.
Dazu werden den Schülern zu ein und derselben Aufgabe im Niveau abgestufte Zugangswege angeboten. Jeder Schüler bearbeitet die gestellte Übungsaufgabe entweder unter einem vom Lehrer vorgegebenen Niveau oder wählt selbstständig das ihm gemäße Zugangsniveau.
So stellt beispielsweise der Zugangsweg A das anspruchsvollste Niveau dar, in dem der Schüler ohne weitere Hilfen auch schwierige Aufgabenstellungen bewältigt. Bei den Zugangswegen B bzw. C werden den Schülern in ansteigendem Maße z. B. durch die Formulierung eines erläuternden Arbeitsauftrages oder durch Verfahrensbeispiele zusätzliche Hilfsmittel zur Lösung an die Hand gegeben. Dies sei an einem einfachen Beispiel illustriert (nach Czempinski):
Zugangsniveau A:
Aufgabenstellung: Benenne die Konjugationen, ergänze die fehlenden analogen Verbformen und übersetze!

    -Konjugation     -Konjugation     -Konjugation     -Konjugation
voco =

 

 

 

 

dicis =

 

 

 

 

audit =

 

 

 

 

tenemus =

vocatis =

 

 

 

 

dicunt =

 

 

 

 

audire =

 

Zugangsniveau B:
Aufgabenstellung: Bilde nach dem Beispiel der a-Konjugation die fehlenden Formen der drei anderen Konjugationen und übersetze!

a-Konjugation e-Konjugation i-Konjugation kons. Konjugation

voc-o = ich rufe

ten  -    = ich halte

aud  -    = ich höre

di  -    = ich sage

voca-s

 

 

 

voca-t

 

 

 

voca-mus

 

 

 

voca-tis

 

 

 

voca-nt

 

 

 

voca-re

 

 

 



                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 78

Zugangsniveau C:
Aufgabenstellung: Markiere nach dem Beispiel der a-Konjugation die Stammauslaute mit der jeweiligen für die Konjugation vorgegebenen Farbe, füge die fehlenden Endungen ein und übersetze!

a-Konjugation e-Konjugation i-Konjugation kons. Konjugation


vocao  = ich rufe

tene-  = ich halte

audi-  = ich höre

dic-  = ich sage

voca-s = du rufst

tene-

audi-

dici-

voca-t = er ruft

tene-

audi-

dici-

voca-mus = wir rufen

tene-

audi-

dici-

voca-tis = ihr ruft

tene-

audi-

dici-

voca-nt = sie rufen

tene-

audiu-

dicu-

voca-re = rufen

tene-

audi-

dic-

Daneben bieten sich auch noch andere Möglichkeiten der Binnendifferenzierung, etwa nach dem Modell "Schüler helfen Schülern" an, das neben den fachlichen Fähigkeiten verstärkt auch die Sozialkompetenz der Schüler fördert.
Dies kann beispielsweise durch die Erarbeitung einer "Forumsrallye" erfolgen. Für diesen Spaziergang über das Forum Romanum erstellen die leistungsstärkeren Schüler in Partner- oder Gruppenarbeit einen Fragebogen mit einer Reihe von Aufgaben zu bestimmten zentralen Punkten oder Monumenten des Forums. Diese werden von ihren Mitschülern aus der Gruppe der leistungsschwächeren Schüler bearbeitet. Dabei stehen die Verfasser der Rallye ihren Mitschülern als Berater bei der Lösung der Aufgaben zur Verfügung und lernen so, erworbenes Wissen weiterzuvermitteln.
Mit einem derartigen Rallye-Fragebogen vertiefen die Schüler nicht nur ihre Kenntnisse in Bereichen wie antike Kultur, Mythos oder Geschichte. Durch die Auswertung von Quellenmaterial, die intensive Zusammenarbeit im Kleinteam oder ihre Tätigkeit als beratende Experten erwerben sie außerdem eine Reihe wichtiger Kompetenzen. Zudem können sie zu einer weiterführenden, "privaten" Beschäftigung mit Themen aus der Antike (z. B. in Form einer Lektüre von Jugend- und Sachbüchern) angeregt werden.

Methoden und Inhalte
Intensivierungsstunden im Fach Latein erfordern, wie bereits erwähnt, eine an die Arbeit in der Kleingruppe angepasste Didaktik und Methodik, d. h. zielgerichtet ausgewählte Inhalte und die jeweils dazu passenden Methoden. Dies gilt für leistungsheterogene ebenso wie für leistungshomogene Gruppen von Schülern.
Als Methoden (und Sozialformen), die für die Arbeit in der Kleingruppe speziell im Lateinunterricht geeignet erscheinen, können u. a. genannt werden: Partner- / Gruppenarbeit, materialgestützte Freiarbeit, Lernzirkel, Portfolio, Lernspiele, Expertengruppen, Lernen durch Erklären, Wochenlernplan, Projektarbeit, computergestütztes Lernen, Strategien vor und während einer Schulaufgabe, szenisches Spiel, Lernplakate, Latine loqui…
Alle Methoden im Einzelnen in Hinblick auf ihre Vorteile und Möglichkeiten bezüglich eines Einsatzes in Intensivierungsstunden näher zu beleuchten, ist im Rahmen dieses Aufsatzes nicht möglich(3). Es muss ohnehin im Ermessen eines jeden Kollegen liegen, welche für die jeweilige Lern- und Unterrichtssituation passende Methode er auswählt. Hierbei spielt die fachliche und pädagogische Erfahrung eine große Rolle, man sollte sich aber auch bewusst sein, dass sich bestimmte Methoden wie z. B. "Schüler helfen Schülern" oder das szenische Spiel in besonderem Maße für die Arbeit in der Kleingruppe und damit für Intensivierungsstunden eignen. Dieses verstärkte Methodenbewusstsein wird zu einem wichtigen Merkmal eines in Intensivierungsstunden eingesetzten Lehrers werden.


                                       Pegasus-Onlinezeitschrift V/2+3 (2005), 79

Schließlich kann es aber auch in Hinblick auf die in den Intensivierungsstunden intendierte individuelle Förderung erforderlich sein, mehrere, auf die einzelnen Schüler zugeschnittene Methoden gleichzeitig einzusetzen. So können beispielsweise im Rahmen einer Schulaufgabennachbereitung mit einem Teil der Kleingruppe anhand von Wortschatzrätseln entsprechende Defizite behoben werden, wohingegen mit einem anderen Teil binnendifferenziert nicht beherrschte Phänomene des Relativsatzes bearbeitet werden.
Dass dies einen erheblichen Vorbereitungsaufwand für die Lehrkraft erfordert, sei nicht verschwiegen. Aber auch hier gilt, wie in anderen Bereichen (z. B. der Zusammenarbeit im "Intensivierungsteam") auch, dass der momentane Mehraufwand mittelfristig eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich bringt.

Fazit
Fasst man die Erfahrungen, die sich aus dem bisherigen Unterricht in Intensivierungsstunden ergeben haben, zusammen, so lässt sich eine durchaus positive Bilanz ziehen. Nicht nur, dass von Lehrern wie Schülern die Arbeit in der kleinen Lerngruppe als angenehm und bisweilen durch die Befreiung vom Notendruck als geradezu entspannt empfunden wird. Auch der pädagogische Erfolg scheint sich durch die Möglichkeit gezielten Übens, Wiederholens und Vertiefens sowie das Eingehen auf individuelle Defizite bei vielen Schülern einzustellen. Gerade im Fach Latein, wo sich ja ein weites Feld an Lernbereichen eröffnet, erweisen sich die mit großem fachlichem und pädagogischen Engagement durchgeführten Intensivierungsstunden als echte Chance zu einer Verbesserung der Sprach- und Sachkenntisse unserer Schüler, so dass vielen Kollegen bereits jetzt die Intensivierungsstunden als ein unverzichtbarer Teil des Lateinunterrichts am achtjährigen Gymnasium in Bayern erscheinen.

Michael Hotz
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München
Schellingstr. 155
80797 München
E-Mail: michael.hotz@isb.bayern.de

___________________

(1) Der folgende Artikel ist in leicht veränderter Form bereits erschienen in: Dialog Schule – Wissenschaft. Klassische Sprachen und Literaturen, Band XXXIX, hrsg. von Rolf Kussl, S. 146ff.

(2) Hierbei greife ich auf  Termini und Überlegungen von StR Christian Czempinski zurück, die er im Rahmen eines Arbeitskreises am ISB entwickelte, und dem in diesem Zusammenhang ganz herzlich gedankt sei.

(3) An dieser Stelle sei auf die CD-ROM "Intensivierungsstunden Latein" des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung, München verwiesen, die demnächst erscheinen wird und in der neben grundsätzlichen Überlegungen zum Thema Intensivierungsstunden auch zahlreiche didaktische Anregungen und unterrichtspraktische Beispiele zu finden sind (Bestellung der kostenlosen CD-ROM über das Fachreferat Latein /Griechisch des ISB).